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Verfahren: Heliogravüre

Verfahrenstyp: Echtes Tiefdruckverfahren

Text: D. Münzberg (Hamburg,1999)

Erfinder

1852 erbebte William Henry Fox Talbot ein Patent auf die Entdeckung der Lichtempfindlichkeit eines Gelatine-Chromsalz-Gemisches, der wichtigsten Voraussetzung für photomechanische Druckverfahren.

1858 erhielt er ein Patent – die sogenannten Improvements in the art of engraving (2) – auf ein verbessertes Verfahren, in dem sowohl das ,Aquatintakorn‘ als auch die Ätzung mit Eisenchlorid erwähnt wird. Talbot muss somit als Erfinder der Halbton-Heliogravüre gelten.

Eine verbesserte Variante der Talbotschen Methode entwickelte 1879 der Österreicher Karel Klic, die er nach anfänglicher Geheimhaltung schließlich 1886 publizierte. Erst das von ihm entwickelte Prinzip Kupferplatte + Aquatintastaub + Pigmentdruck + Ätzung mit Eisenchlorid erlaubte qualitativ sehr hochwertige Drucke, und war außerdem in der Durchführung so einfach, dass die Hand-Heliogravüre, dass einzige, echte  Druckverfahren unter den sogenannten Edeldruckverfahren – von diesem Zeitpunkt an zum populärsten Reproduktionsverfahren für künstlerische Photographie wurde. Viele Künstler benutzten die Photogravüre zum Druck kleinerer Auflagen ihrer Werke.

Alfred Stieglitz publizierte die Photographien in seiner berühmten Zeitschrift Camera Work (1903‐1917) fast ausschließlich in dieser Technik. Bis heute gilt die Heliogravüre als ein Druckverfahren, mit dem größtmögliche Annäherung an die Tonwerte des Originals erreicht werden kann. Die Ästhetik der Heliogravüre war geprägt von großem Tonwertreichtum und ähnelte in dieser Hinsicht der des Platindrucks.

 

Prinzip

  • In einem Staubkasten wird auf eine sorgfältig polierte Kupferplatte das Aquatintakorn (feinster Asphaltstaub) aufgebracht und anschließend durch Erhitzen der Platte angeschmolzen. Unter dem Korn findet später keine Ätzung statt, dadurch kommt es zu Steg- und Näpfchenbildung, bei der ein Rastereffekt entsteht.

  • Auf die Platte überträgt man jetzt einen negativen Pigmentdruck, ein Gelatinerelief, das analog zu den Grauwerten des aufbelichteten Diapositivs mehr oder weniger dicke Stellen aufweist. Dieser Pigmentdruck bildet zusammen mit dem Aquatintakorn den Ätzwiderstand.

  • Geätzt wird nun in unterschiedlichen Eisen-III-chloridlösungen, solange, bis es überall zur Näpfchenbildung gekommen ist, denn irgendwo muss die Druckfarbe ja schließlich Halt finden. Die Säuren sind verschieden stark konzentriert, und durch geschickte Handhabung, das heißt unterschiedliche Verweildauer in der jeweiligen Säure, kann ein erfahrener Drucker fast alle im Motiv vorhandenen Grauwerte reproduzieren. Längeres Ätzen bedeutet tiefere Näpfchen, mehr Farbe und somit einen satteren Bildton. Das perfekte Ätzen ist nicht nur der wichtigste, sondern mit Abstand auch der schwierigste Teil des Verfahrens.

  • Auf die so geätzte, gereinigte und angewärmte Platte wird nun die Tiefdruckfarbe aufgewalzt, mit Druckergaze verrieben und überschüssige Farbe mit demHandballen wieder entfernt; die Platte wird ‚ausgewischt‘

  • Anschließend wird die eingefärbte Kupferplatte in der Tiefdruckpresse auf ein spezielles Tiefdruckpapier abgedruckt. Etwa 15 bis 20 gute Drucke lassen sich so erzielen. Für höheren Auflagendruck muss die Platte verstählt werden.
     

Anwendungszeitraum

Als künstlerisches, manuelles Druckverfahren – im Gegensatz zum industriellen Rotations-Tiefdruck – blieb die Heliogravüre stets etwas Besonderes.

Ab etwa 1890 bis weit über die Jahrhundertwende hinaus druckten bekannte Photokünstler Kleinauflagen ihrer sonst zum Teil sehr großformatigen Ausstellungsbilder in dieser Technik.

Zudem war der Tiefdruck die einzige Möglichkeit, die aufwendig produzierten Edeldrucke, die um 1900 massenhaft Bestandteil der großen Photosalons waren, angemessen in den teils sehr opulent gestalteten Katalogen wiederzugeben. Eine Besonderheit dieser Zeit war die von Alfred Stieglitz herausgegebene Zeitschrift Camera Work, deren Bildteil fast ausschließlich in Photogravüretechnik gedruckt war.

Die aufwändigen Kataloge der großen Photosalons dieser Zeit enthielten häufig einen stattlichen Bildteil mit oftmals über zwanzig eingebundenen ,Hand - Heliogravüren´.

Nach dem ersten Weltkrieg nahm die Popularität der meisten Edeldruckverfahren und auch der Heliogravüre als Reproduktionstechnik künstlerischer Photographie aus unterschiedlichen Gründen dramatisch ab. Ganz aufgegeben wurde sie jedoch nie. Die Photogravüre erlebt heute eine kleine Renaissance als extravagante, künstlerische Technik, die selbstbewusst ihre Eigenheiten überall da ausspielt, wo es nicht nur um ultimative Druckqualität im Bereich Fotografie geht, sondern auch um die Anerkennung als eigenständiges, originales Druckwerk.

Eigenschaften

Die Heliogravüre besticht durch ihren eindrucksvollen Tonwertreichtum, der ohne weiteres größer sein kann als der eines normalen Silbergelatineabzugs. Manipulationen im Sinne eines gezielten, künstlerischen Experiments sind nur bedingt möglich und beschränken sich in der Regel auf eine modifizierte Ätzung, das variable Einfärben der Druckplatte oder etwa die Montage mehrerer Platten in der Druckphase. Hierzu schreibt Hendrik Faure, einer der besten, zeitgenössischen Héliograveure in Deutschland:

"Das ist definitiv falsch. Man kann neben den von dir genannten Möglichkeiten auf dem

Ausgangsnegativ oder in der Ausgangsdatei alle Manipulationen des jeweiligen Mediums

durchführen, man kann das Zwischenpositiv mit elektronischen, zeichnerischen oder mechanischen Mitteln bearbeiten, man kann die Ätzvorgänge weitreichend manipulieren und man kann auf die fertige Platte mechanisch oder chemisch einwirken und man kann alles dieses miteinander kombinieren.

Ich kenne kein bildgebendes Verfahren, das derart viele Optionen bietet. Allerdings nutze ich diese Möglichkeiten kaum, weil ich schon mit den klassischen Gravuren mehr als hinreichend beschäftigt bin.

Zudem ist das [Verfahren] in Europa nahezu Geschichte, wegen des Dichromat- Bannes."

Selten werden mehr als 10 Abzüge von einer Druckplatte gemacht, die nach dem Auflagendruck in der Regel vom Künstler zerstört (gekreuzt) wird.

Die Heliogravüre ist ein Abenteuer, in das man sich nicht ohne großes zeitliches und finanzielles Engagement stürzen kann. Die einzelnen Arbeitsschritte sind für sich genommen schon so schwierig, dass der Aufwand des Erlernens in keinem Verhältnis zum Ergebnis steht. Hinzu kommt aufwändiges und teures Equipment, angefangen vom Staubkasten bis hin zur Tiefdruckpresse, das jeden vernünftigen Finanzrahmen sprengen würde. Entscheidet man sich für die Heliogravüre – auch dafür gibt es gute Gründe – sollte man die Herstellung den leider nur noch wenigen, erfahrenen Fachleuten überlassen.

Die unten aufgeführten Heliogravüren wurden von Hermann Försterling, Eppingen hergestellt

S64-1.jpg

Abb. 1
Heliogravüre
Die Heliogravüre (Photogravüre) wurde
hergestellt nach einer Reproduktion der Originalheliogravüre. Leichte Unterschiede
im Farbton und in den Tonwertabstufungen
zum Original sind unvermeidbar,
da das Verfahren in dieser Hinsicht einigen
Spielraum lässt.

S65-2.jpg

Nach einer Heliogravure von
Gustav E. B. Trinks
Farbige Schatten,1902

Abb. 2
Heliogravüre
Wie Abb.1, jedoch etwas
dunklere Variante.

S65-3.jpg
S65-5.jpg


Abb. 3
Kupferdruckplatte mit Pigmentdruck
Der rötliche Pigmentdruck ergibt zusammen
mit dem Aquatintakorn den Ätzwiderstand.
In diesem Zustand wird die Platte mit variabler Verweildauer in unterschiedlich starken Eisenchloridlösungen geätzt.

S65-4.jpg

Abb. 4
Fertige Kupfertiefdruckplatte.
Die vom Pigmentdruck befreite und gereinigte Platte wird mit Druckerfarbe eingefärbt und auf Tiefdruckpapier gedruckt. Für die Reinheit der Lichter im fertigen Druck ist das perfekte ,Auswischen' der überschüssigen Farbe von großer Bedeutung.

Abb. 5
Probedruck
Vor dem Auflagendruck wird von der noch nicht beschnittenen Druckplatte ein erster Kontrolldruck gemacht, der zeigen soll, an welchen
Stellen die Platte nachgearbeitet werden muß.

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