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Verfahren: Gummi-Kombinationsdruck
Verfahrenstyp: Chromgelatineverfahren

Text: D. Münzberg (Hamburg,1999)

 

Erfinder

1855 hatte der Franzose Alphonse Louis Poitevin (1819‐1887) mit dem Pigmentdruck das erste Verfahren erfunden, mit dem sich haltbare, nicht auf Silber- oder Eisensalzen basierende photographische Bilder erzeugen ließen. Bereits damals hatte er in Betracht gezogen, die bei diesem Verfahren eingesetzte Gelatine durch das leichter lösliche Gummiarabikum zu ersetzen. Das Verfahren geriet jedoch in Vergessenheit.

Erst 1895 setzte sich eine von Robert Demachy entwickelte Variante des Gummidrucks durch. Seine berühmten Bilder von Balletttänzerinnen, die er erstmals 1895 in der Londoner Ausstellung der Vereinigung ‚The Linked Ring‘ zeigte, wurden von dem Wiener Hugo Henneberg begeistert registriert. Die späteren Kunstphotographen schätzten die zarten Tonwerte der Bilder und die großen Manipulationsmöglichkeiten, die sich durch das Bearbeiten der Kopie mit dem Pinsel ergaben. Es ist beim Gummidruck nicht möglich, den gesamten Tonwertumfang eines Negatives aufs Papier zu bringen. Heinrich Kühn, ein Freund Hennebergs, und ebenfalls Mitglied des Wiener Camera-Clubs, suchte daher nach einer Möglichkeit, die Halbtonwiedergabe durch mehrfaches Übereinanderdrucken von unterschiedlichen Gummischichten zu verbessern.
1896 gelang ihm der erste Kombinationsdruck.

Unter dem Namen Wiener Trifolium (lat. Kleeblatt) machten die Mitglieder des Wiener Camera-Clubs Hugo Henneberg, Heinrich Kühn und Hans Watzek diese Technik mit ihren großformatigen, repräsentativen Gummidrucken (50 x 100 cm) sprichwörtlich ,salonreif‘.

 

Prinzip

  • Ein mit Pigmenten versehenes Gummi-Dichromatgemisch wird auf ein Trägerpapier aufgestrichen.
     

  • Nach dem Trocknen wird wie üblich unter einem Negativ in der Sonne oder unter einer hochaktinischen Lichtquelle belichtet.
    Unter Lichteinwirkung verhält sich das chromierte Gummiarabikum ähnlich wie Gelatine – es härtet mehr oder weniger stark in die Tiefe.

     

  • Im Wasserbad wird anschließend das nicht gehärtete Gummi abgelöst. Auf dem Papier bleibt ein positives Gummi-Pigmentrelief zurück, das lediglich einen bestimmten Bereich der Tonwertskala des Negativs widerspiegelt.
     

  • Im Kombinationsdruck entstehen durch mehrfaches Übereinanderdrucken unterschiedlich präparierter Gummi-Pigmentschichten sehr differenzierte Halbtonbilder mit stark malerischem Duktus.

 

Anwendungszeitraum

Ab 1895 bis in die 20er Jahre hinein war der Gummidruck als Kopiertechnik für große, farbige und repräsentative Bilder unter den Kunstphotographen sehr beliebt. Zum einen war der individuelle Eingriff in den Prozess fast zu jedem beliebigen Zeitpunkt möglich, zum anderen sicherte die substantielle ‚Griffigkeit‘ des Materials größtmögliche Nähe zur Malerei. Extravagante Rahmung verstärkte diesen Eindruck noch erheblich.

Eigenschaften

Der Gummidruck bot dem Künstler neben den Vorteilen großer Haltbarkeit und freier Farbwahl auch die Möglichkeit des manuellen Eingreifens in den Kopierprozess – wichtige Voraussetzung dafür, den ‚scharfen‘ Blick der Photographie in künstlerischer Absicht aufzubrechen. Durch die Herstellung großformatiger Papiernegative – dies garantierte zudem eine willkommene leichte Bildunschärfe – konnten Bildformate realisiert werden, die ihren sinnlichen Qualitäten nach dem gemalten Bild gleichkamen. Die französische Ausführung dieser Technik, der einschichtige Gummidruck, stellte den Reiz der ,unvermeidlichen‘ Tonwertreduzierung in den Vordergrund, während die österreichische Variante eines Heinrich Kühn die Verbesserung der Halbtonwiedergabe durch den von ihm entwickelten Kombinationsdruck favorisierte. Der Gummidruck wurde außerordentlich beliebt und blieb bis in die 20er Jahre hinein populär.

Charakteristisch für Gummidrucke ist eine ausgeprägte Kornstruktur sowie eventuell, je nach Größe des Druckes, eine mehr oder weniger grobe Papierstruktur. Zuweilen finden sich an manchen Stellen des Bildes Doppelkonturen, was auf Passerprobleme beim Kombinationsdruck hinweist.
Da es aber erklärte Absicht der Künstler war, die eigene, ‚Handschrift‘ nicht zu verleugnen, nahm man solche kleinen Fehler nicht weiter ernst. Unter diesem Gesichtspunkt muss man auch die oft erkennbaren, ‚malerischen‘ Eingriffe mit dem Pinsel sehen. Früher wie heute ist die Palette der individuellen Manipulation während des Herstellungsprozesses des Bildes nahezu unbegrenzt. Unter Wahrung des Grundprinzips Gummi + Dichromat + Pigment ist fast alles erlaubt, vorausgesetzt, man verfügt über handwerkliches Geschick, viel Geduld und noch mehr Phantasie, um aus den vielen möglichen Wegen den richtigen für die eigenen ästhetischen Vorstellungen zu finden.

Der Gummidruck erfordert zwar viel Übung, bietet aber nach wie vor die meisten Möglichkeiten der Bildbeeinflussung. Hier ins Detail zu gehen, würde den Rahmen dieses Aufsatzes bei weitem sprengen. Papier, Farbe, Größe, Gradation, Kombination mit anderen Techniken – mit all dem und mehr läßt sich hier operieren. Als hoch experimentelle Technik wird der Gummidruck von einigen zeitgenössischen Künstlern, auch in Deutschland, verwendet.

Wer sich etwas mehr über diese Technik informieren möchte: Der Gummidruck von Heinrich Kühn, Innsbruck 1921

Die unten abgebildeten Gummi-Kombinationsdrucke wurden von D. Münzberg hergestellt. Durch die Reproduktion aus einem Ausstellungskatalog des MK&G Hamburg entstanden erhebliche Abweichungen von den Originaldrucken!

 
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Nach einem braunen Gummi-Kombinationsdruck von Theodor und Oscar Hofmeister: Die Geschwister, 1901

MK&G Hamburg

Abb. 1
Drei Schichten
Kraft- + Mittelton- + Lichterdruck
Pigmentierung: Lichtes Ocker, Eisenoxidschwarz, Umbra gebrannt und Englischrot in variabler Kombination.

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Abb. 2
Erste Schicht ,Lichterdruck‘
Beim Lichterdruck dürfen nur die hellsten Spitzlichter weiß bleiben. Kontraste bilden sich erst durch die nachfolgenden Drucke.
Der Farbton ergibt sich aus folgender Pigmentmischung: 90% lichtes Ocker, 70% Englischrot.

S62-3.jpg

Abb. 3
Zwei Schichten
Lichter- + Mitteltondruck
Pigmente: 90% Umbra gebrannt,
10% Englischrot

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Abb. 4
Drei Schichten
Lichter- + 2 x Mitteltondruck
Pigmente: 90% Umbra gebrannt,
10% Englischrot

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Abb. 5
Vier Schichten
Lichter- + 2 x Mittelton- + Kraftdruck
Pigmente: 90% Elsenoxidschwarz,
10% Englischrot.
Beim Gummidruck ist nur Annäherung
an das Originalzu erreichen, die unterschiedlichen Ausgangsnegative und die Vielzahl der möglichen Manipulationen während des Kopierprozesses lassen immer nur individuelle Ergebnisse zu.

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